Im Online-New Work Forum teilten drei Expertinnen aus verschiedenen Perspektiven – moderiert von Martin Wilbers – ihre Erfahrungen zum Umgang mit der hybriden Arbeitswelt:
Heike Kampmüller, Leitung HR bei infoteam Software AG
Nina Gradinger, Country Change Management Lead bei Novartis Business Services GmbH
Andrea Mehrer, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Inhaberin der AGC Arbeitsrecht Gesellschaft Consulting
Es zeigte sich, wie verschiedene Unternehmen hybride Arbeitsmodelle in der aktuellen Lage umsetzen und dies bereits auch schon vor der Pandemie taten. Alle waren sich einig, dass der Prozess in Richtung einer flexibleren Arbeitswelt – sowohl Raum als auch Zeit betreffend – bereits vor der Pandemie ins Rollen kam und lediglich beschleunigt wurde.
Doch was heißt eigentlich „hybride Arbeitswelt“?
Damit ist das Zusammenspiel zwischen der Arbeit im Büro vor Ort im Unternehmen, in Kombination mit mobilem Arbeiten oder Arbeiten aus dem Homeoffice, gemeint.
Nina Gradinger von Novartis berichtete über die Erfolge der Initiative: „Choice with Responsibility“, welche mit der Pandemie eingeführt wurde. Novartis möchte nachhaltig die Flexibilität in Bezug auf die individuellen Arbeitsmodelle weiterentwickeln und somit die gelebte Firmenkultur und die Entfaltungsmöglichkeiten jedes einzelnen Mitarbeitenden voranbringen.
Bei „Choice with Responsibility“ legen Mitarbeitenden ihren Arbeitsort selbst fest und stimmen diesen mit dem Team und auch mit der Führungskraft ab; durch die Erreichbarkeit und die Transparenz wird die Zusammenarbeit im Team gewährleistet. Novartis schenkt seinen Mitarbeitenden das Vertrauen mit diesen Freiheiten verantwortlich umzugehen.
Außerdem betonte Nina Gradinger, dass ein derartiger „culture-shift“ auf Konzern- Betriebsvereinbarungen fundiert sein sollte, so wie es bei Novartis der Fall ist. Aus eigener Erfahrung berichtet Sie, dass das neue Konzept sehr gut aufgenommen und gelebt wird.
Andrea Mehrer wies in der Diskussion explizit darauf hin, dass auch während der Pandemie das Arbeitsrecht uneingeschränkt gilt, und sowohl Arbeitgeber:innen als auch Arbeitnehmende an Rechte und Pflichten gebunden sind. Gerade Regelungen bezüglich des Datenschutzes, der Zeiterfassung und der Versicherung im Schadensfall sollten getroffen werden. Frau Mehrer ging erst auf den rechtlichen Rahmen der Berufsausübung fern vom Büro ein und gab den Teilnehmenden anschließend auch noch praktische Tipps zur Absicherung im Arbeitsalltag mit.
Heike Kampmüller berichtete, dass bei der Firma infoteam Software AG derzeit weitgehend von zuhause gearbeitet wird. Onlineumfragen erfassen regelmäßig das Stimmungsbild der Mitarbeitenden. Das Unternehmen hat somit die Möglichkeit, die virtuelle Arbeitswelt ein Stück weit auf ihre Mitarbeitenden anzupassen. Dies ist ein Beispiel für eine erfolgreiche Möglichkeit, um mit Arbeitnehmenden im engen Austausch und Feedback zu bleiben, auch wenn sich Arbeitsort und -zeit nur noch sehr bedingt überschneiden.
infoteam verfolgt beispielsweise auch, weshalb manche Abendveranstaltungen, wie beispielsweise ein Feierabend-Bier mit Kolleg:innen, in virtueller Form weniger besucht sind, als sie es in Präsenz waren und wie diese modifiziert werden sollten, um weiterhin attraktiv zu bleiben. infoteam schafft es, ihre Firmenphilosophie der „wertschätzenden Herzlichkeit und Menschlichkeit“ auch in Homeoffice-Zeiten weiterzuleben. Binnen weniger Wochen wurden dafür alle firmenweiten Veranstaltungen auf Live-Streams umgestellt. Außerdem konnten alle Mitarbeitenden für Anschaffungen im Homeoffice Unterstützungsgeld beantragen und auch ein Corona-Bonus wurde Ende des Jahres 2020 ausgezahlt. Mitarbeitende erhalten kleine Überraschungspakete nach Hause geschickt wie z.B. Blumen, Osterpäckchen, um ihnen eine kleine Freude im Homeoffice-Alltag zu machen. So sollen Mitarbeitende trotz der Distanz möglichst viel Gemeinschaft und Unterstützung erfahren. infoteam wurde 2020 in zwei Kategorien mit dem NEW WORK STAR in Gold und in einer Kategorie mit dem NEW WORK STAR in Silber ausgezeichnet.
Im Gespräch mit den Teilnehmenden wurden Fragen diskutiert, wie:
„Schränkt die Arbeitszeiterfassung die Autonomie ein?“
„Wie kontrolliert man die Leistungserbringung seiner Mitarbeitenden, bzw. muss man das überhaupt?“
Angesprochen wurde, dass vielen Führungskräften oft die Einschätzung bei spezialisierten Aufgaben fehlt, wie lange diese im Durchschnitt in der Bearbeitung dauern. Wichtig ist vor allem der Qualitätscheck, statt nur darauf zu achten, ob die Arbeit schon erledigt ist. Am Ende des Tages werden Mitarbeitende für ihre Leistung und Ergebnisse bezahlt und nicht für die mit Arbeit verbrachte Zeit. Arbeiten Mitarbeitende unzureichend, spiegelt sich dies also zwangsweise in Einbrüchen laufender Projekte wieder, die die Führungskräfte dann thematisieren müssen.
Ein Teilnehmer sprach an, dass aktuell der bestmögliche Zeitpunkt ist, um das Führungsverhalten im Unternehmen systematisch zu reflektieren. Die Frage nach der möglichen Kontrolle der Leistungserbringung der Mitarbeitenden sei demnach eher eine symptomatische Frage. Wenn man sich also diese Frage stellen muss, ist im Vorfeld möglicherweise schon manches schiefgelaufen. Wieso sollte der Mitarbeiter nicht genug leisten? Mangelt es an Motivation? Fühlt er sich überfordert, schlecht behandelt und versucht jetzt, durch das Homeoffice einen entschädigenden Vorteil herauszuschlagen? An dieser Stelle gilt es, die Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter genauer unter die Lupe zu nehmen.
Wenn auch Sie bei der nächsten Diskussionsrunde dabei sein möchten, melden Sie sich für unseren Newsletter an unter www.susannebohn.com.