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Bild: Eduard Wellmann

Überzeugend präsentieren: Geschenktes Talent oder ehrliches Handwerk?

„Eine Rede abzulesen ist, wie am Telefon zu küssen. Es fehlt etwas.“  (Jesse Jackson)

Sie treten auf. Sicher, lächelnd, selbstbewusste Schritte, gewinnender Blickkontakt zum Publikum. Sie sind gut vorbereitet, inhaltlich versiert und in blendender Tagesform. Ihr erster Satz sitzt, das Publikum schmunzelt, das Kribbeln im Magen wird zum Treibstoff Ihrer Höchstform.

Das Problem ist: Viele Menschen kennen diese Situation anders. Das Kribbeln ist Angst, die Schritte und der Blick sind unsicher und das Lächeln vergessen sie. Stefan Verra, einer der führenden deutschsprachigen Trainer für nonverbale Kommunikation, spricht in diesem Fall von unfunktioneller Körpersprache. Denn während Sie sich damit abmühen, überzeugend zu sein, spricht Ihr Körper wie ein offenes Buch eine andere Sprache. Von der perfekten Präsentationssituation wagen viele von Ihnen nicht einmal zu träumen – und oft ist genau das Ursache und Wirkung zugleich.

Mit seinem Experiment zur Facial-Feedback-Hypothese konnte der Sozialpsychologe Fritz Strack 1988 beweisen, dass durch gezielte Bewegungen der Gesichtsmuskulatur das emotionale Erleben einer Situation moduliert wird. Unsere Körpersprache ist also nicht nur Ausdruck unseres Innenlebens, sie kann auch beeinflussen, wie wir uns fühlen. Vereinfacht bedeutet das: Wer eine sichere Haltung einnimmt, fühlt sich zunehmend sicherer; Wer aufrecht steht, fühlt sich weniger angreifbar; Wer unsicher und geduckt läuft, fühlt sich auch zunehmend ängstlich. Wir können also durch gezielten Einsatz der Körpersprache das eigene Empfinden einer Situation und sogar unsere innere Haltung verändern.

Das klingt nach einer Zauberformel, hat aber einen Haken. „Wer lernen will, muss fühlen“ lautet ein Buchtitel der mehrfachen Junioren-Gedächtnisweltmeisterin und Gedächtnistrainerin Christiane Stenger. Das gilt für das Zusammenspiel von Körper und Psyche, Bewegungsapparat und Gedächtnis, Muskulatur und Gehirn ebenso. Oder, wie es Stefan Verra ausdrückt: „Körpersprache braucht Muskeln. Muskeln brauchen Training – sonst verschwinden sie.“ [1] Wer sich vornimmt, beim nächsten Vortrag einfach selbstbewusst dazustehen, wird keine Verbesserung erzielen können. Es braucht Training und regelmäßige Übung, damit wir unsere funktionelle Körpersprache jederzeit abrufen und einsetzen können, erst recht in der stressbelasteten Situation, die ein Vortrag oder eine wichtige Präsentation für die meisten Menschen ist.

Wie sich das umsetzen lässt, macht uns die Harvard-Professorin Amy Cuddy vor. Sie führte ein Experiment durch, bei dem die Probanden Macht- und Ohnmacht-Posen einnahmen und analysierte anschließend, ob und wie sich die Konzentration der Hormone Testosteron und Cortisol im Speichel dadurch veränderte. Das Ergebnis ist beeindruckend: Wer zwei Minuten lang eine stolze Machtpose einnimmt, hat danach einen um durchschnittlich 20% höheren Testosteronspiegel – das Hormon löst wiederum Gefühle von Selbstvertrauen aus. Gleichzeitig sinkt der Spiegel des als „Stresshormon“ und Angstmacher bekannten Botenstoffes Cortisol um 25%. Wer sich dagegen kleinmacht und zusammenkauert, muss mit dem umgekehrten Effekt zurechtkommen. Cuddy leitete daraus ihre „Power-Posen“ ab, expansive und offene Haltungen, welche durch ihre Wirkung auf den Körper quasi das biologische und hormonelle Setting für mehr Selbstvertrauen und Selbstsicherheit stellen. [2]

Wer dadurch entspannter an die nächste Herausforderung vor Publikum herangeht, schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn bereits 1969 fand der amerikanische Psychologe Albert Mehrabian in Untersuchungen zur Überzeugungskraft von Vortragenden heraus, dass die Probanden das Publikum am Meisten überzeugten, deren Körperhaltung trotz der Präsentationssituation leicht entspannt war. [3] Früher oder später wird es so positives Feedback geben, Sie erhalten Bestätigung, welche wiederum Ihre Selbstsicherheit steigert – eine positive Spirale setzt sich in Gang.

Die Summe dieser Erkenntnisse bestätigt, was ich als Trainer vom ersten Workshop an beobachten konnte und woran ich meine Arbeit ausrichte: Gutes Präsentieren ist nicht nur Intuition und Bauchgefühl. Es ist zu einem Großteil ein zu erlernendes Handwerk. Wer in gute Werkzeuge investiert, regelmäßig damit übt und versiert im Umgang damit ist, kann solide und gute Arbeit leisten. Das Werkzeug ist Ihr Körper und seine Sprache, Ihr Spiegel zuhause der beste Trainingspartner, die gute Arbeit Ihre nächste Präsentation. Und denken Sie daran: Muskeln brauchen Training. Fangen Sie an.

Phillipp Gründel, Präsentations- und Kommunikationstrainer

 

[1] Stefan Verra bei GedankenTanken: https://www.youtube.com/watch?v=8ZwbgWxxQnU

[2] Cuddy, Amy: Dein Körper spricht für Dich. München 2016. S. 260 ff.

[3] Argyle, Michael: Körpersrache und Kommunikation. Paderborn, 2013. S. 322